The Notebooks of Malte Laurids Brigge: Difference between revisions

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The Biblical parable about the prodigal son is recreated in the book, but it's framework involves a cherished young boy who feels burdened by the weight of constant attention and worry from his caregiver adults.  Not yet knowing the pain awaiting most humans, and blissfully unaware of danger or time, the boy's escape to freedom, with only a dog for company, becomes a precious memory of remembered happiness.
The Biblical parable about the prodigal son is recreated in the book, but it's framework involves a cherished young boy who feels burdened by the weight of constant attention and worry from his caregiver adults.  Not yet knowing the pain awaiting most humans, and blissfully unaware of danger or time, the boy's escape to freedom, with only a dog for company, becomes a precious memory of remembered happiness.
=== Faces as masks ===
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Habe ich es schon gesagt?  Ich lerne sehen--ja, ich fange an.  Es geht
noch schlecht.  Aber ich will meine Zeit ausnutzen.
Daß es mir zum Beispiel niemals zum Bewußtsein gekommen ist, wieviel
Gesichter es giebt.  Es giebt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr
Gesichter, denn jeder hat mehrere.  Da sind Leute, die tragen ein
Gesicht jahrelang, natürlich nutzt es sich ab, es wird schmutzig, es
bricht in den Falten, es weitet sich aus wie Handschuhe, die man auf
der Reise getragen hat.  Das sind sparsame, einfache Leute; sie
wechseln es nicht, sie lassen es nicht einmal reinigen.  Es sei gut
genug, behaupten sie, und wer kann ihnen das Gegenteil nachweisen?
Nun fragt es sich freilich, da sie mehrere Gesichter haben, was tun
sie mit den andern?  Sie heben sie auf.  Ihre Kinder sollen sie tragen.
Aber es kommt auch vor, daß ihre Hunde damit ausgehen.  Weshalb auch
nicht?  Gesicht ist Gesicht.
Andere Leute setzen unheimlich schnell ihre Gesichter auf, eins nach
dem andern, und tragen sie ab.  Es scheint ihnen zuerst, sie hätten
für immer, aber sie sind kaum vierzig; da ist schon das letzte.  Das
hat natürlich seine Tragik.  Sie sind nicht gewohnt, Gesichter zu
schonen, ihr letztes ist in acht Tagen durch, hat Löcher, ist an
vielen Stellen dünn wie Papier, und da kommt dann nach und nach die
Unterlage heraus, das Nichtgesicht, und sie gehen damit herum.
Aber die Frau, die Frau: sie war ganz in sich hineingefallen, vornüber
in ihre Hände.  Es war an der Ecke rue Notre-Dame-des-Champs.  Ich
fing an, leise zu gehen, sowie ich sie gesehen hatte.  Wenn arme Leute
nachdenken, soll man sie nicht stören.  Vielleicht fällt es ihnen doch
ein.
Die Straße war zu leer, ihre Leere langweilte sich und zog mir den
Schritt unter den Füßen weg und klappte mit ihm herum, drüben und da,
wie mit einem Holzschuh.  Die Frau erschrak und hob sich aus sich ab,
zu schnell, zu heftig, so daß das Gesicht in den zwei Händen blieb.
Ich konnte es darin liegen sehen, seine hohle Form.  Es kostete mich
unbeschreibliche Anstrengung, bei diesen Händen zu bleiben und nicht
zu schauen, was sich aus ihnen abgerissen hatte.  Mir graute, ein
Gesicht von innen zu sehen, aber ich fürchtete mich doch noch viel
mehr vor dem bloßen wunden Kopf ohne Gesicht.


=== A joke buried in the text ===
=== A joke buried in the text ===

Revision as of 12:57, 15 November 2022

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The Notebooks of Malte Laurids Brigge (in German: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge), published in 1910, was Rainer Maria Rilke's only book-sized work of prose. It is often classified as a novel, but that is uncertain. There are no chapter divisions, the story line can seem disjointed, but it can be seen as a coherent study of ways people shelter themselves from the difficulties in the world. The narrative takes the form of a rambling novelette filled with poetic language and contains, among other things, a retelling of the prodigal son tale, a striking description of death by illness, an ode to the joys of roaming free during childhood, a chilling description of how people wear false faces with others, and a snarky comment about the weirdness of neighbors. The book has enjoyed enormous popularity over the past century and is still widely read.

The book was first published as hardcover in German by Insel Verlag in 1910 and consisted of two volumes of 191 and 186 pages, respectively. It was first issued in English under the title Journal of My Other Self.[1]

Example paggages from the book

Why a prodigal son leaves

The Biblical parable about the prodigal son is recreated in the book, but it's framework involves a cherished young boy who feels burdened by the weight of constant attention and worry from his caregiver adults. Not yet knowing the pain awaiting most humans, and blissfully unaware of danger or time, the boy's escape to freedom, with only a dog for company, becomes a precious memory of remembered happiness.


Faces as masks

Habe ich es schon gesagt? Ich lerne sehen--ja, ich fange an. Es geht
noch schlecht. Aber ich will meine Zeit ausnutzen.

Daß es mir zum Beispiel niemals zum Bewußtsein gekommen ist, wieviel
Gesichter es giebt. Es giebt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr
Gesichter, denn jeder hat mehrere. Da sind Leute, die tragen ein
Gesicht jahrelang, natürlich nutzt es sich ab, es wird schmutzig, es
bricht in den Falten, es weitet sich aus wie Handschuhe, die man auf
der Reise getragen hat. Das sind sparsame, einfache Leute; sie
wechseln es nicht, sie lassen es nicht einmal reinigen. Es sei gut
genug, behaupten sie, und wer kann ihnen das Gegenteil nachweisen?
Nun fragt es sich freilich, da sie mehrere Gesichter haben, was tun
sie mit den andern? Sie heben sie auf. Ihre Kinder sollen sie tragen.
Aber es kommt auch vor, daß ihre Hunde damit ausgehen. Weshalb auch
nicht? Gesicht ist Gesicht.

Andere Leute setzen unheimlich schnell ihre Gesichter auf, eins nach
dem andern, und tragen sie ab. Es scheint ihnen zuerst, sie hätten
für immer, aber sie sind kaum vierzig; da ist schon das letzte. Das
hat natürlich seine Tragik. Sie sind nicht gewohnt, Gesichter zu
schonen, ihr letztes ist in acht Tagen durch, hat Löcher, ist an
vielen Stellen dünn wie Papier, und da kommt dann nach und nach die
Unterlage heraus, das Nichtgesicht, und sie gehen damit herum.

Aber die Frau, die Frau: sie war ganz in sich hineingefallen, vornüber
in ihre Hände. Es war an der Ecke rue Notre-Dame-des-Champs. Ich
fing an, leise zu gehen, sowie ich sie gesehen hatte. Wenn arme Leute
nachdenken, soll man sie nicht stören. Vielleicht fällt es ihnen doch
ein.

Die Straße war zu leer, ihre Leere langweilte sich und zog mir den
Schritt unter den Füßen weg und klappte mit ihm herum, drüben und da,
wie mit einem Holzschuh. Die Frau erschrak und hob sich aus sich ab,
zu schnell, zu heftig, so daß das Gesicht in den zwei Händen blieb.
Ich konnte es darin liegen sehen, seine hohle Form. Es kostete mich
unbeschreibliche Anstrengung, bei diesen Händen zu bleiben und nicht
zu schauen, was sich aus ihnen abgerissen hatte. Mir graute, ein
Gesicht von innen zu sehen, aber ich fürchtete mich doch noch viel
mehr vor dem bloßen wunden Kopf ohne Gesicht.


=== A joke buried in the text ===

Amidst the exploration of difficulties scattered throughout the book, there are surprising flashes of humor.

<poem style="border: 2px solid #d6d2c5; background-color: #f9f4e6; padding: 1em; width: 80%">
IN GERMAN:

"Es giebt ein Wesen, das vollkommen unschädlich ist, wenn es dir in die Augen kommt, du merkst es kaum und hast es gleich wieder vergessen. Sobald es dir aber unsichtbar auf irgendeine Weise ins Gehör gerät, so entwickelt es sich dort, es kriecht gleichsam aus, und man hat Fälle gesehen, wo es bis ins Gehirn vordrang und in diesem Organ verheerend gedieh, ähnlich den Pneumokokken des Hundes, die durch die Nase eindringen.

Dieses Wesen ist der Nachbar."

TRANSLATION:

"There is a being that is completely harmless if it passes before your eyes, you hardly notice it and immediately forget it again. But as soon as it gets into your hearing in some invisible fashion it develops there, it creeps out, as it were, and one has seen cases where it penetrated the brain and thrived devastatingly in that organ, like canine pneumococcus that enters through the nose.

This being is the neighbor."

English translations

It is considered very challenging to render German lyrical poetry and prose into English because it relies so strongly on alliterative and rhythmic nuances of the German language itself. Thus, Rilke's works have all been translated multiple times, and the Notebooks are no exception. English translations include:

References

  1. M. D. Herter Norton (tr.). New York: W. W. Norton, 1949, 1992. Translator's Foreword, p. 8.